Unterirdisches Theater
Hört, hört! Ich war im Theater! Und nicht etwa nur in einem Theatergebäude, wo dann etwas ganz unthetralisches stattfand, nein: im Berliner Ensemble bei einem echten Handke/Peymann-Stück. Das war die gute Nachricht, nun die schlechte: das Stück war ziemlich mies. Es ließe sich nun einwenden, dass ich als höchst spärlicher Theatergänger (auch dieses Mal war ich nicht aus eigener Initiative, sondern mit meiner Stipendiatinnen-Gruppe hingegangen) das doch gar nicht beurteilen könne und schließlich hätten die anderen Zuschauerinnen und Zuschauer doch immer gelacht, aber darauf lasse ich mich nicht ein. Das sagt gar nichts. Punkt.
Doch zur Kritik im Einzelnen (wer auch von fachkundigerer Seite ein ähnliches Urteil lesen will, begebe sich hierhin): Als der Vorhang sich hob, hatte ich noch ein ganz gutes Gefühl, das Bühnebild sah auf jeden Fall interessant aus -- ein längs halbierter U-Bahnwaggon, ganz in weiß, nahm die ganze Bühne ein und erzeugte eine gewisse Kino-Breitformat-Perspektive. Doch dann nahm das Übel seinen Lauf und die ersten Fahrgäste betraten das Abteil und nach kurzer Teil auch der Protagonist, der im Folgenden mit seinen Monologen den restlichen Abend füllen sollte. Diese Monologe waren die Beschimpfungen eines gescheiterten Spieß-Bürgers im Wortsinne, der in einer selbstgerechten Pose seinen Überdruss an seinen Mitfahrerinnen und Mitfahrern ausließ. Wie oben bereits erwähnt: das Publikum fand es toll und hat sich angesichts der durchaus vorhandenen Sprachmächtigkeit von Handkes Text köstlich amüsiert. Zu Beginn war dies ja noch erträglich, aber leider ging es immer und immer weiter, immer dieselben Ressentiments gegen Frauen, Wissenschaftler, Ausländer, Klerus, Jugend, Elend usw. usf. Es gab zwar ein wenig Abwechslung durch verrätselte Stationsnamen, mysteriöse Auspizien auf dem Bahnhof und das durchaus ansehnliche Mitspiel der im Hintergrund bleibenden Schauspielerinnen und Schauspieler, aber die Redundanz überwog deutlich. Nach ewig lang erscheinender Zeit fand die Katharsis endlich ihren Höhepunkt: die Mitfahrenden erfüllten dem Nörgler seinen Wunsch und ließen ihn allein in "seiner" Welt.
So weit, so schlecht. Wäre das Stück hiermit zu Ende gegangen, hätte man mit Erleichterung die zu engen BE-Sitze verlassen und sich der wirklichen Scheiß-Welt zuwenden können, aber nein: Herr Handke hat (natürlich!) noch etwas in petto. Ja, Sie mögen es schon geahnt haben: Der Spieß-Bürger litt an seiner Einsamkeit; was war er ohne die Objekte seines Hasses! Nach dieser Erkenntnis donnerte es bedeutungsschwanger und die Auspizien traten in Form der Frau mit dem seltsamen Hut wieder auf die Bühne. Und ja, Sie werden wieder ahnen, das ganze kehrte sich um und der Beschimpfende wurde zum Objekt der Beschimpfung und Lächerlichkeit -- gäääähn.
Der höhnende Abschluss war dann eine Szene, in der das Abteil verschwand, und es erschien stattdessen eine surreale Landschaft voller auf Stöcken stehende Ziffern einschließlich der Stimme Gottes mit klugen Sentenzen aus verschiedenen Ecken des Offs. Frage mich niemand, was da zu bedeuten hat; wahrscheinlich eine Art der Auflösung im Metaphysischen.
Und wo bleibt das Positive, Herr Kritiker? Ja, auch im BE darf man Kästner'sche Fragen stellen und ich habe sogar eine Antwort: Der Hauptdarsteller war echt gut. In der späteren Diskussion mit den anderen Studienstiftungsleuten kam er zwar schlecht weg, aber ich fand, dass er sehr gut zu der Rolle gepasst hat. Was er nicht konnte, war die Redundanz und Offensichtlichkeit des Stückes wettzumachen, aber das würde ich auch nicht erwarten, unterirdischer Text bleibt unterirdischer Text.
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