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Monday, August 29, 2005

Darstellen und Eingreifen

Nachdem meine Postingaktivitaet in letzter Zeit -- ganz gemäß meinem Lebensfokus -- sich auf die Odyssee beschränkt hat, will ich mir nun wieder Zeit nehmen, hier ein etwas umfangreicheres Update zu veröffentlichen. Grund ist, dass ich endlich dazu gekommen bin, Ian Hackings Einfuehrung in die Philosophie der Naturwissenschaften zu Ende zu lesen. Um es gleich vorwegzunehmen: Unbedingt lesen! Alle, die irgendetwas mit Naturwissenschaft, Wissenschaftsgeschichte oder Philosophie am Hut haben, können von diesem Buch nur profitieren.

Die Entscheidung, mir das Buch zu kaufen, hatte ich nach einem begeisternden Vortrag von Hacking im Rahmen der Abschlusskonferenz des virtuellen Labors am MPI für Wissenschaftsgeschichte getroffen. Der Titel des Buches mag für jemanden, die oder der sich schon eingehender mit Wissenschaftsphilosophie beschäftigt hat, vielleicht auf den ersten Blick etwas abschreckend wirken -- auch ich hatte die Befuerchtung, mich bei einer "Einführung" deshäufigeren zu langweilen, doch davon kann gar keine Rede sein! Hacking selbst schreibt treffend:

Mit "einführend" ist hier allerdings nicht "vereinfacht" gemeint. Einführende Themen sollten klar genug und wictig genug sein, um denjenigen, für den sie neu sind, zu fesseln. Außerdem sollten sie widerborstig genug sein, um bei den Lesern, die seit Jahren über diese Gegenstände nachgedacht haben, noch manchen Funken zu entzünden. (9)
Inhaltlich gliedert sich das Buch in zwei Teile, die für Hacking die beiden Tätigkeitsbereich von WissenschaftlerInnen sind: "Darstellen" und "Eingreifen". Der erste Teil gibt dabei einen umfassenden Überblick über die grundlegenden Probleme und Lösungsvorschläge in der Wissenschaftstheorie mit einem Fokus auf der zentralen Frage des Realismus und seiner KritikerInnen.

Für Hacking untrennbar verknüpft mit der Frage der Wissenschaftstheorie sind Fragen der wissenschaftlichen Praxis, also des Eingreifens. Hacking konzentriert sich bei seiner Darstellung in zweiten Teil auf einige paradigmatische Probleme wie die des "Sehens", des Messens oder der Beobachtung und behandelt diese anhand genauer historiografischer Darstellung. Immer wieder gelingt es ihm hierbei, "die großen Männer" der Wissenschaftsforschung historischer Fehler zu überführen; dadurch werden zugleich verzerrte Darstellungen wissenschaftlicher Tätigkeit und unhaltbare theoretische Postulate über Wissenschaft überzeugend kritisiert.

Während des ganzen Textes vertritt Hacking klar und durch Argumente gestützte seine eigene Form des wissenschaftlichen Realismus, die er in folgendem Satz konzentriert: "Was mich betrifft, gilt: Wenn man sie versprühen kann, sind sie real." (47)

Die deutsche Übersetzung ist weitestgehend als gelungen zu bezeichnen. Über die Frage, ob man "representing" mit "darstellen" angemessen wiedergibt, ließe sich sicher vortreffllich streiten, ansonsten gibt es jedoch kaum Grund zur Kritik. Auch das Lektorat und der Satz sind lobend hervorzuheben, vor allem angesichts des unschlagbaren Reclam-Preises von 9,60 Euro.

Nach all diesem Lob noch ein paar kleine Kritikpunkte: Jenseits der sprachlichen Brillianz des Textes, drängte sich mir an vielen Stellen der Wunsch nach Abbildungen auf. Nicht, dass man die Modelle, Beispiele etc. nicht auch ohne Visualisierung verstehen könnte, aber gerade in einem Einführungsbuch wäre es eine schöne Erweiterung gewesen. Eine wertvolle Zugabe, die Hacking liefert, ist die schoene, kommentierte Bibliografie am Ende des Bandes. Diese ist kapitelbezogen sortiert und ziemlich knapp gehalten , was ich eher fuer einen Vorteil halte. An dieser Stelle noch ein Hinweis für alle Latourianer: Wer auf einen Verweis Hackings auf Bruno Latour und die Actor-Network Theory wartet, muss sich sehr lange gedulden: Erst auf der letzten Seite der Bibliografie findet sich ein Hinweis auf dessen Arbeiten, allerdings ohne Erklärung, warum dieser im restlichen Buch unter den Tisch gefallen ist.

Ian Hacking. Einführung in die Philosophie der Naturwissenschaften. Stuttgart: Reclam, 1996. 477 Seiten, 9,60 Euro.
(Originalausgabe: Representing and Intervening. Introductory Topics in the Philosophy of Natural Science. Cambridge: Cambridge University Press, 1983.)

Sunday, August 28, 2005

Web 2.0.3

Das Thema des "neuen Internets" ist in deutschen Medien gerade anscheinend sehr en vogue: Auch Die Zeit hat einen Artikel zum Thema; in diesem erfährt man allerdings nichts Neues, wenn man die beiden unten kommentierten Technology Review-Artikel gelesen hat. Die im ersten Absatz angesprochene Frage einer möglichen "digitalen Spaltung zweiter Ordnung" zwischen denjenigen, die soziale Software einsetzen und denjenigen, die dies nicht tun, wird leider nicht vertieft.

Wednesday, August 24, 2005

GoogleTalk ist da!

Nachdem es vor zwei Tagen ja schon erste Gerüchte gab, ist GoogleTalk seit heute online. Die Beschreibungen klingen vielversprechend und ich bin gespannt, es auszuprobieren. Wer Lust hat, kann mich unter meinem kliems@gmail.com-Account erreichen, Text und Voice. Mal schauen, ob die Audioqualität an Skype heranreicht (und ich vielleicht mit weniger Verzögerung mit L telefonieren kann).

Monday, August 22, 2005

Soziale (?) Maschinen

In der aktuellen Technology Review ist eine Art follow-up zum weiter unten kommentierten Artikel "Das Web sind wir" erschienen. Unter dem Titel "Soziale Maschinen" geht Wade Roush auch auf die Hardware-Komponente des "neuen" Webs ein. Durch die Verfügbarkeit von Geräten wie Smartphones und WLAN-Laptops, durch die Verfügbarkeit der Informationen und Dienste des Internet an beinahe jedem Ort zu jeder Zeit seien neue Kommunikationsformen und (das ist meine Deutung im Wittgenstein'schen Sinne) auch Lebensformen entstanden. Entgegen dem ursprünglichen (und gescheiterten) Plan, Computer unsichtbar und auf diesem Wege sozialverträglicher zu machen, sei es heute kein Problem mehr, eine Armada von Geräten mit sich herumzuschleppen, solange man mit diesen nur auf das "neue Web" zugreifen könne. Eine weitere wichtige Rolle würde hierbei die zunehmende Verbreitung lokalisierter Dienste spielen, etwa die Bereitstellung von Informationen anhand des Aufenthaltsortes der Benutzerin oder des Benutzer. Selbst die Prognose der als nächstes erfolgenden Tätigkeit sei heute bereits in den Bereich des Möglichen gerückt:

Ein Telefon, das Terminkalender und Aufenthaltsort berücksichtigt, könnte beispielsweise erkennen, dass Sie nach dem Café immer ins Büro gehen, und schon mal beginnen, Ihre E-Mails und Nachrichten auf dem Anrufbeantworter aus dem Internet zu ziehen, während Sie noch Ihren Café Latte schlürfen.
Oder, um es etwas überspitzt zu formulieren: Nachdem Sie sich für 15 Stunden in Ihrem Büro aufgehalten haben, könnte das Handy schon einmal automatisch die Upper und Antidepressiva nach Hause bestellen.

An dieser Stelle setzt auch meine Kritik an: Der Artikel hebt vor allem hervor, wie sehr durch die neuen technologischen Möglichkeiten "unsere" Produktivität gesteigert worden sei, wie wir neue soziale Netzwerke geschaffen hätten, die neue Formen der Kollaboration ermöglicht haben. Die These von der gesteigerten Produktivität sollte relativ einfach zu überprüfen sein, und genau dies, eine genaue empirische Untersuchung, hielte ich für notwendig -- wie die in den ersten Abschnitten von Roush beschriebenen Kontroverse um die Zulassung von WLAN während eines Meetings (Ablenkung versus Möglichkeit der Informationsbeschaffung) andeutet, ist die Lage weniger eindeutig als das im Artikel mitschwingt.

Grundlegendere Fragen, die keine schnellen Antworten haben, aber dafür spannende Themen einer kultur- und sozialwissenschaftlichen Untersuchung wären (Notiz an mich: im Hinterkopf behalten!), sind etwa: Von wem spricht Roush eigentlich in dem Artikel? Vielleicht nur von jungen, gebildeten, erfolgreichen IT-Fachleuten, Online-Journalisten, Manager in den westlichen Metropolen? Welche Auswirkungen haben die Technologien auf "die anderen"? Wenn Roush vom "sozialen Web" spricht: Welche Form der Sozialität wird hier kreiert? Welche Auswirkungen hat dies auf Identität(en)? Welche Interaktionen zwischen Sozialität und Technologie ergeben sich und wie werden die erstgenannten dadurch verändert (Stichworte: Hybriden und Monster)?

Sunday, August 21, 2005

Hair Crimes


Back in the days, als man Musikfernsehen noch schauen konnte (wie haben sich die Sender eigentlich vor der Klingeltonwerbung finanziert?), gab es MTV Sushi, eine Sendung von und mit Stefan Kretzschmar. Die Sendung selbst war eher mittelmäßig, es gab aber immer eine sehr nette Rubrik namens Haircrimes, in denen heiße Metal-Videos aus den 80ern samt der dazugehörigen Verbrechen gegen die Frisierkunst vorgestellt wurden. Etwas Ähnliches gibt es nun auch im Netz, nämlich http://www.fiese-scheitel.de/ Der Name ist Programm, die ganze Palette der Haarverbrechen ist vertreten, vom Nackenschoner über Vokuhilas, skurille Schnauzbart-Variationen bis hin zu Steckdosen-Style-Langmatten ...