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Sunday, January 22, 2006

Exzellenz und 21 Millionen

Wer es noch nicht gehört hat: die gute alte FU hat es in die zweite Runde des berüchtigten Exzellenzwettbewerbs aka Brain Up! Deutschland sucht die Superuni geschafft. Entgegen dem Urteil der meisten Auguren, die die FU wohl eher abgeschrieben haben. Sollte(!) die FU auch noch die zweite Runde überstehen, bekäme sie im Jahr zusätzliche Mittel im Umfang von 21 Millionen Euro. Fichtenberg hat sich das einmal genauer angeschaut und kommt zu einem recht vernichtenden Urteil: 21 Millionen seien eh nur ein Tropfen auf den heißen Stein und abgesehen davon würden die Mittel dann vermutlich auch noch nutzlos für überbezahlte Profs ausgegeben.

Ich sehe das durchaus differenzierter: zum einen sind 21 Millionen pro Jahr immerhin mehr als 7 Prozent der Mittel, die das Land Berlin an die FU bezahlt. Ob man damit nun das "Oxford in Dahlem" schafft, mag mit gutem Recht bezweifelt werden, unerheblich ist die Summe aber nicht. Außerdem ist die FU ja noch mit einem Exzellenzcluster und einer Graduiertenschule in den anderen Förderlinien des Wettbewerbs im Rennen.

Zum anderen ist natürlich wirklich die Frage, wozu man das Geld einsetzt. Grundsätzlich finde ich es nicht verwerflich, sich um internationales Spitzenpersonal zu bemühen. Die Behauptung von Fichtenberg, dass deutsche Profs nicht unterbezahlt seien, teile ich so pauschal nicht. Im europäischen Vergleich mögen sich die deutschen ja durchaus im oberen Bereich befinden, aber ob man deswegen gut finden muss, dass gerade NeueinsteigerInnen weniger verdienen als ihre Kollegen an Schulen und Gerichten? Angesichts der langen, brotlosen Ausbildung und des damit einhergehenden Risikos, die mit der Entscheidung für die Prof-Laufbahn verbunden ist, finde ich eine angemessene Bezahlung durchaus gerechtfertigt.

Außerdem:

Ist der Prof aus Harvard (bzw. der, der nach Harvard abzuwanden droht) wirklich um so viel Klassen besser als der aus Buxtehude?
Vielleicht. Wenn ich mir das Lehrpersonal hier so anschaue und mit dem an der FU vergleiche, würde ich auf jeden Fall zu einem "Ja" tendieren. Ein wichtiger Faktor ist dabei übrigens nicht eine prinzipielle Überlegenheit des amerikanischen Hochschulsystems, sondern zu einem großen Teil sicherlich das überkommenen Berufungsverfahren in Deutschland. Die Austrockung des akademischen Mittelbaus, die unterhalb der Professur praktisch keine dauerhaften Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnet, verschärft die Situation sicher noch.
Statt einen überbezahlten Prof könnte man auch fünf "normalbezahlte" einstellen - und/oder Bücher anschaffen, Räumlichkeiten ausbauen, Laptops bereitstellen.
Fünf normale für eine Elite? So gut wird das Personal hier in der Regel auch nicht bezahlt. Die Frage, ob man das Geld lieber für (Spitzen-)Profs ausgibt oder für Bücher, Räume und Laptops verliert dadurch aber nicht an Relevanz. Ich maße mir keine allgemeinverbindliche Antwort an, aber was vielleicht zu bedenken ist, dass es hochqualifiziertem Personal besser gelingen könnte, diejenigen zusätzlichen Drittmittel einwerben zu können, mittels derer man eben diese Materialien anschaffen könnte. Ja, ich bin ein vielleicht ein naiver Optimist, aber ob es besser ist, mit einem Laptop in einem überfüllten Seminar bei einem lausigen Prof zu sitzen als ohne...?

4 comments:

Niklas said...

Grundlage der Argumentation war ja der Widerspruch zwischen dem Anspruch Elite zu sein und der Tatsache, dass die FU auf absehbare Zeit auch mit "Elitenbonus" eine Massenuni bleiben wird.

Sog. "Spitzenkräfte" (oder das, was Lenzen dafür hält) würden durch ihre weitaus höheren Gehaltsforderungen Mittel binden. 5:1 ist vielleicht übertrieben, aber 2:1 oder 3:1 kommt bestimmt hin. Bei der Masse an Studenten sollte man dann also für dasselbe Geld lieber gleich 2 oder 3 Lehrkräfte einstellen, die nicht über dieselbe Reputation wie die "Spitzenkraft" verfügen, dafür aber die Anzahl von Studierenden pro Professor deutlicher drücken können. Was nützt mir die überteuerte "Spitzenkraft", wenn dann immer noch zu viele Leute im Seminar sitzen, weil es an einer ausreichenden Anzahl von Lehrenden mangelt?

Es gibt ja durchaus auch sehr fähige Profs, die nicht diese immensen finanziellen Ansprüche haben, wie Lenzen sie hier beschreibt. Grottian teilt sich schon seit längerem seine Stelle mit einem anderen Professor und kassiert dann eben nur die Hälfte dessen, was ein C4-Prof normalerweise einsackt. Trotzdem mindert diese finanzielle Einbuße sein Engagement für die Studierenden und die Uni offenbar nicht. Irgendwo ist es halt auch eine Frage der Einstellung.

Und ob die "Spitzenkraft" allein durch ihr internationales Renommee und ihren Einfluß wirklich so viel mehr Drittmittel organisieren könnte, da bin ich wirklich skeptisch. Selbst wenn, bliebe noch die Frage, wo diese Mittel am Ende tatsächlich hängen bleiben.

Weiterhin stellt sich die Frage, ob ein besonders teurer Prof mit hoher Reputation wirklich ideal für die Lehre ist. Die meisten, die sich einen überdurchschnittlich guten Ruf erarbeitet haben, haben sich in ihrer Karriere stark auf die Forschung konzentriert. Die Lehre ist da doch oft nur ein lästiges Beiwerk. Ein weiterer Grund eher den "normalbezahlten" Prof zu wählen, für den ein Engagement in der Lehre vielleicht eher vor dem eigenen akademischen Vorankommen steht (also lieber "Überzeugungstäter" statt "Spitzenkraft").

Hobbes vs Boyle said...

Massenuni heißt dann: viele Studierende bei wenig ProfessorInnen? Hm, ich habe die Befürchtung, dass die Sache hier noch komplizierter ist, was mit der berüchtigten "Kapazitätsverordnung" zu tun hat (O-Ton Flierl: Da blicken wir in der Senatsverwaltung auch nicht so richtig durch). AFAIK wird dort festgelegt, wie viele Studierende eine Uni aufgrund ihrer Kapazitäten zulassen muss (und sie ist die Basis der ganzen Klagen auf Zulassung). Die Zahl von Profs wird darin aller Wahrscheinlichkeit eine große Rolle spielen und wenn man nun statt zweien fünf Profs einstellt, muss man vermutlich proportional mehr Studierende zulassen. In Bezug auf überfüllte Seminare wäre in dieser Hinsicht nichts gewonnen, nur der absurd hohe NC würde um das eine oder andere Zehntel gesenkt (was natürlich sehr positiv zu bewerten ist, aber durch steigende Bewerbungszahlen auch schnell wieder aufgefressen werden kann). Ergo: wenn die Kapazitätsverordnung so bleibt wie sie ist, bringen die Zahlenspiele nichts/nicht viel. (Hier könnte man dann vielleicht argumentieren, dass in diesem Fall die Qualität der Lehrkraft besonders relevant ist...)

Zu den Ansprüchen: Das halte ich für ein bisschen naiv. Respekt an Grottian (Narr hat das glaube ich ja auch gemacht), aber bei ihm ist die Motivationslage doch anders gelagert als bei einem Postdoc, der sich zwischen einer gutbezahlten Stelle an einer US-Uni (oder sonstewo) mit den dortigen Lehr- und Forschungsbedingungen und einer schlechter bezahlten Stelle mit den FU-Bedingungen entscheiden kann.

Mit den Drittmitteln hast du wahrscheinlich recht, vor allem bei deren Verwendung. Ich habe meine Meinung ja schon als naiven Optismus eingeschätzt.

Letzter Punkt, Einstellung zur Lehre: Mit diesem Urteil über Spitzenkräfte wäre ich vorsichtig. Meine (zugegebenermaßen begrenzten) Erfahrungen hier können das definitiv nicht bestätigen, ÜberzeugunstäterIn und Spitzenkraft, auch im Bereich Lehre müssen sich IMO nicht ausschließen.

Na ja, vermutlich sind wir uns mit der Gesamteinschätzung sowieso einig: Viel rumkommen für die Studierenden wird so oder so nicht.

Niklas said...

| Die Zahl von Profs wird darin
| aller Wahrscheinlichkeit eine
| große Rolle spielen und wenn man
| nun statt zweien fünf Profs
| einstellt, muss man vermutlich
| proportional mehr Studierende
| zulassen.

Wenn das stimmt, müsste in der Tat zunächst die Kapazitätsverordnung abgeändert werden.

| Zu den Ansprüchen: Das halte ich
| für ein bisschen naiv. Respekt an
| Grottian (Narr hat das glaube ich
| ja auch gemacht), aber bei ihm ist
| die Motivationslage doch anders
| gelagert als bei einem Postdoc,
| der sich zwischen einer
| gutbezahlten Stelle an einer
| US-Uni (oder sonstewo) mit den
| dortigen Lehr- und
| Forschungsbedingungen und einer
| schlechter bezahlten Stelle mit
| den FU-Bedingungen entscheiden
| kann.

Lenzen ging es ja bei seinen "Spitzenkräften" um Personen, die den Postdoc-Status längst hinter sich gelassen haben und sich als hochangesehene Profs bereits einen internationalen Namen gemacht haben. Und hier war mein Argument, dass man für dasselbe Geld was eine "Spitzenkraft" kassiert, genauso gut mehrere "normale" Profs einstellen könnte, die "normale" Gehaltserwartungen haben, die sich dann eher dem Institut und der Lehre verpflichtet fühlen, anstatt einer internationalen Karriere mit einer deutlich überhöhten Gehaltsanforderung entgegenzustreben.

| Letzter Punkt, Einstellung zur
| Lehre: Mit diesem Urteil über
| Spitzenkräfte wäre ich vorsichtig.
| Meine (zugegebenermaßen
| begrenzten) Erfahrungen hier
| können das definitiv nicht
| bestätigen, ÜberzeugunstäterIn und
| Spitzenkraft, auch im Bereich
| Lehre müssen sich IMO nicht
| ausschließen.

Ja, sicherlich war meine Aussage zu pauschalisierend. Nur meine persönlichen Erfahrungen hier am OSI widersprechen deinen in Cornell (so wie ich dich verstand, hast du dich ja auf Cornell bezogen). Ich glaube, dass man gerade am OSI erkennen kann, dass jene Profs die systematisch ihre Karriere vorangetrieben haben und immer bemüht waren sich auch international einen Ruf zu erarbeiten (also jene, die dem lenzen'schen Ideal von "Spitzenkräften" noch am ehesten entsprechen), in ihrem Engagement in der Lehre gegenüber jenen zurückstehen, für die eine internationale Karriere nicht das Maß aller Dinge ist und die in der Literatur weniger dominieren. Aber das ist natürlich eine rein subjektive Einschätzung, weil es keine feststehenden Kriterien gibt, was "gute Lehre" auszeichnet.

Hobbes vs Boyle said...

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Lenzen ging es ja bei seinen "Spitzenkräften" um Personen, die den Postdoc-Status längst hinter sich gelassen haben und sich als hochangesehene Profs bereits einen internationalen Namen gemacht haben.
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ACK, das ist dann noch etwas anderes. Aber: siehe unten.

>
Und hier war mein Argument, dass man für dasselbe Geld was eine "Spitzenkraft" kassiert, genauso gut mehrere "normale" Profs einstellen könnte, die "normale" Gehaltserwartungen haben, die sich dann eher dem Institut und der Lehre verpflichtet fühlen, anstatt einer internationalen Karriere mit einer deutlich überhöhten Gehaltsanforderung entgegenzustreben.
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Okay, da muss man wohl sehr genau hinschauen. Ich weiß auch gar nicht, was Lenzen den "Spitzenkräften" bieten könnte. Dinge wie Tarifverträge, aber auch neidische KollegInnen in den Fachbereichen dürften der Bezahlung und Ausstattung doch vielleicht einige Grenzen setzen.

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Ich glaube, dass man gerade am OSI erkennen kann, dass jene Profs die systematisch ihre Karriere vorangetrieben haben und immer bemüht waren sich auch international einen Ruf zu erarbeiten (also jene, die dem lenzen'schen Ideal von "Spitzenkräften" noch am ehesten entsprechen), in ihrem Engagement in der Lehre gegenüber jenen zurückstehen, für die eine internationale Karriere nicht das Maß aller Dinge ist und die in der Literatur weniger dominieren.
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Vielleicht hat das auch alles mit dem allgemein niedrigen Stellenwert der Lehre in D zu tun. AFAIK wurde die Lehrerfahrung/-qualität bei Berufungen bis vor nicht allzu langer Zeit überhaupt nicht als Entscheidungskriterium herangezogen. Das scheint hier definitv anders zu sein, zumindest in meinem Dept. Wäre vielleicht eine interessante empirische Frage, warum gute Lehrende gute Lehre machen :-)

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das ist natürlich eine rein subjektive Einschätzung, weil es keine feststehenden Kriterien gibt, was "gute Lehre" auszeichnet.
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Yep. Wobei es vermutlich noch einfacher ist, sich auf Kriterien für gute Lehre zu einigen als auf solche für gute Forschung, gerade in Geistes- und Sozialwissenschaften.